Dienstag, 20. Januar 2015

Hartz IV: 10 Jahre und der Spuk ist immer noch nicht vorbei

Wir haben uns inzwischen an Hartz IV gewöhnt. Wenn es kein Unten gibt, gibt es auch kein Oben. Diese Philosophie bildet die Grundlage unserer westlichen Welt auf eine gleiche Art wie das Kasten-System in Indien. Wir haben auch unsere Kaste der Unberührbaren. In Deutschland sind das unter anderem eben die Hartz-IV-Empfänger.


                                                                 Fot. Dr. Klaus-Uwe Gerhardt  / pixelio.de


Staatlich verordnete Ausgrenzung


Willkommen im System der staatlich verordneten Ausgrenzung! Sein wichtigstes Merkmal ist seine Reproduktion: Das System ist darauf bedacht, die existierenden Grenzen zwischen den Schichten oder Kasten in der gleichen Form beizubehalten.  Ein Beweis dafür? Die angeblich so erfolgreiche (in Augen ihrer Schöpfer und neoliberaler Markt-Anbeter) Agenda 2010 löst das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit überhaupt nicht. Im Gegenteil. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen stagniert, diese bedauernswerte Armee wird seit Jahren nicht kleiner. Der Staat scheint sich damit abzufinden. Ideen und Vorschläge der Lösungen fehlen gänzlich. Es kann sogar der Eindruck entstehen, dass dies politisch gewollt ist.

Prügelknaben und Sündenböcke 


Jemand muss doch die undankbare Rolle des Prügelknaben, des Sündenbocks spielen und für die Unfähigkeit der Regierenden, die Probleme zu lösen, geradestehen. Die Langzeitarbeitslosen als schwächstes Glied der Gesellschaft eignen sich wunderbar dafür. Ohne Konsequenzen darf man sie treten, ihnen jegliche Kompetenzen und Begabungen absprechen. Wer von den Mittellosen wird aus diesem Grund vor Gericht ziehen?

Sie sollen außerdem als eine abschreckende Warnung dienen: Entweder hältst du deine Klappe und spurst widerstandslos, oder du wirst in der Langzeitarbeitslosigkeit verrotten.

Hartz IV und Designer-Arbeiter


Das Ausgrenzung- oder Kastensystem braucht ein Druckmittel, eine Peitsche, die über den Köpfen der Arbeiter schwingt. In der auf dieser Weise strukturierten Welt schneiden sich die Arbeitgeber ihre Arbeiter zurecht.  Es entsteht eine Art Designer-Arbeiter: gestutzt, zusammengestaucht, wehrlos. Die Arbeitgeber kaufen nicht nur die Arbeitskraft eines Menschen, sondern den ganzen Menschen noch dazu. Wie einen Sklaven.

Dank Hartz IV hat sich ein extrem undemokratisches und diskriminierendes Auswahlverfahren etablieren können. Ein Kandidat für einen Arbeitsplatz muss seine Hose runterlassen, eine Beichte ablegen, ein Zeugnis seines Verhaltens liefern und auch sein privates Leben – das einen Arbeitgeber eigentlich überhaupt nicht angeht – präsentieren. Und das alles trotz angeblich geltenden Datenschutzbestimmungen. Statt lediglich Qualifikationen abzufragen verlangt ein Arbeitgeber gleich einen ganzen detaillierten Lebenslauf. Mit welcher Begründung eigentlich?

Wer sind die Hartzer?


„Eine überraschend große Zahl von ihnen hat eine höhere Schulbildung genossen oder sogar studiert“, wunderte sich Die Welt Online im vergangenen Dezember. Der Anteil von Langzeitarbeitslosen mit guter Bildung ist zuletzt sogar gestiegen. Das passt nicht zum Feindbild eines faulen Arbeitslosen. Wen kümmert es aber?

Unter den Arbeitslosen gibt es auch die dringend gesuchten Fachkräfte. Sie sind dennoch nicht erwünscht. Ihre gläsernen Lebensläufe besitzen einen entscheidenden Makel: Sie liefen nicht wie am Schnürchen und zeichnen womöglich einen Menschen mit Charakter. Ach du Schreck! Solch ein unangepasstes Individuum könnte das Kastensystem anzweifeln.

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